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Bedürfnisse im Mittelpunkt von Coaching und Therapie TEIL 2

Angemessene und unangemessene Bedürfnisbefriedigung

Die Befriedigung von Bedürfnissen löst Spannung und vermittelt ein positives Gefühl. Therapeutisch ist es dabei wichtig, zwischen angemessener und unangemessener, schädlicher Bedürfnisbefriedigung zu unterscheiden. Angemessene (adaptive) Befriedigung z.B. des Bindungsbedürfnisses könnte darin bestehen, den Partner direkt zu bitten, mehr für einen da zu sein. Unangemessene (maladaptive) Befriedigung hingegen würde dann bestehen, wenn eine Frau aus Angst vor dem Alleinsein Beziehungen eingeht, in denen sie ausgenutzt wird.

Nicht Zulassen von Bedürfnissen

Ein Bedürfnis ist also ein Mangelzustand, den eine Person versucht auszugleichen. Die Bedürfnisse stehen dabei nacheinander in einer Reihe, wie die Leute vor dem Eingang einer Diskothek. Dasjenige Bedürfnis, was ganz vorn in der Reihe steht, kommt als nächstes dran. Wenn ich vor Hunger nicht einschlafen kann, muss ich erst etwas essen. Minuten später ist der Hunger vergessen und ich kann meinem Bedürfnis nach Schlaf nachgehen.

Eine kleine Übung?: Schließen Sie, wenn Sie mögen, die Augen und spüren Sie nach innen. Welches Bedürfnis steht bei Ihnen gerade ganz vorn? Ist es das Bedürfnis etwas zu essen, sich auszuruhen oder einfach weiterzulesen?

Das Bedürfnis was vorn steht, ist das Wichtigste, sollte als nächstes dran kommen. Was aber, wenn der Türsteher es nicht reinlassen will? Was also, wenn ein Mensch bestimmte Bedürfnisse nicht zulässt? Moment mal: Wieso sollte jemand so etwas tun?! Weil er gelernt hat - meist in der Kindheit - das bestimmte Bedürfnisse von seiner Umwelt bestraft werden. Wenn z.B. das Bedürfnis nach Anerkennung dauerhaft frustriert wurde durch Abwertung und Verachtung, ja vielleicht sogar durch Schläge. Es entsteht eine nicht verheilende Wunde: Der Mensch wird verletzt als er bedürftig war, als er etwas dringend gebraucht hatte. Schmerzhaft lernt er, diese Wunde zu verbergen, um nicht wieder verletzt zu werden. Und er lernt, das es besser ist, dieses Bedürfnis nicht mehr wahrzunehmen. Es wird verdrängt, bleibt aber im Hintergrund bestehen und mit ihm das Gefühl, etwas Wichtiges nicht zu bekommen. Gleichzeitig lauert aber auch die Angst, für dieses Bedürfnis wieder bestraft zu werden. Auch wenn der Mensch dann erwachsen worden ist, auch wenn sich die Situation geändert hat: Die Angst vor Strafe bleibt unverändert und immer noch steht das Bedürfnis verzagt vor dem Türsteher. Und während sich andere Bedürfnisse vorbei drängen, sagt der Türsteher zu ihm: Nein, du bist nicht erlaubt, nicht akzeptabel! Du wirst nicht zugelassen! Und der Mensch spürt das nicht zugelassene Bedürfnis im Hintergrund als Spannung und Unwohlsein. Perls (der Begründer der Gestalttherapie) würde sagen: Ein unerledigtes Geschäft, dass dazu drängt, endlich abgeschlossen zu werden.

Bedürfnisse und Gefühle

Bedürfnisse verursachen Gefühle! Ein nicht zugelassenes Bedürfnis macht Angst! Angst, das Bedürfnis nicht weiter unterdrücken zu können und Angst, für dieses Bedürfnis bestraft zu werden. (Nebenbei bemerkt, vermutlich das, was Freud mit Angst vor den Triebimpulsen aus dem unbewussten Es meint).

Traurigkeit kommt auf, wenn eine Person glaubt, wichtige Bedürfnisse nicht befriedigen zu können, oft das Bedürfnis nach Bindung. So wird man traurig, wenn ein geliebter Mensch einen für immer verlässt. Hingegen löst es Freude aus, wenn wichtige Bedürfnisse erfüllt werden. Hilflos ist jemand, der meint, seine Bedürfnisse nicht ohne die Hilfe anderer erfüllen zu können und dem diese Hilfe versagt wird. Hoffnungslosigkeit ist eine Reaktion auf die Befürchtung, dass wichtige Bedürfnisse auch zukünftig unerfüllt bleiben. Wut, Ärger und Aggression entstehen, wenn man glaubt, in wichtigen Zielen und Bedürfnissen - absichtlich! - von anderen behindert zu werden. (Angemerkt sollte werden, dass es dabei immer um eine subjektive Sichtweise geht, die nicht unbedingt die objektive Realität widerspiegelt.) Nicht nur unangenehme Gefühle, wie Angst, Wut und Traurigkeit entstehen, wenn wichtige Bedürfnisse unbefriedigt bleiben. Langfristig kann es zu einem Nachlassen des allgemeinen Wohlbefindens und zu psychischen Symptomen bis hin zu Depressionen und Ängsten kommen. Auch Persönlichkeitsstörungen können entstehen, wenn in Kindheit und Jugendzeit wichtige Bedürfnisse von wichtigen Bezugspersonen dauerhaft frustriert oder gar bestraft werden.

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© Norman Ehlert
Diplom-Psychologe, NLP-Trainer, Heilpraktiker (Psychotherapie)
Mehr Informationen unter:
Ausbilder Heilpraktikerausbildung Psychotherapie und Heilpraktikerschule norman-ehlert.de

Von: Norman Ehlert ]


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