on-TOPIC Artikel

Mündliche Überprüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie

Wer als Psychotherapeut arbeiten möchte, aber nicht Medizin oder Psychologie studiert hat, kann eine Zulassung als Heilpraktiker für Psychotherapie beim Gesundheitsamt beantragen. Diese Zulassung wird erst erteilt, nachdem eine schwierige schriftliche und mündliche Überprüfung des Fachwissens erfolgt ist. Der Name "Überprüfung" drückt dabei aus, dass es keine einheitlich geregelte Prüfung ist, sondern dass jedes Gesundheitsamt selbst entscheiden kann, welche Art der Überprüfung es vornimmt.

Frau mit Laptop

Bei der schriftlichen Überprüfung werden in den meisten Fällen 28 multiple-choice-Fragen gestellt, welche der Prüfling in einer Stunde beantworten muss. Die mündliche Überprüfung zum Heilpraktiker Psychotherapie dauert meist eine halbe bis eine Stunde und wird von einem Amtsarzt und meistens einem Psychologen und einem Heilpraktiker abgenommen.

Diese Prüfungskommission soll ausschließen, dass der Geprüfte "keine Gefahr für die Volksgesundheit ist", wie es im Gesetzestext heißt. Sie wollen sehen, ob der zukünftige Heilpraktiker für Psychotherapie weiß, welche Störungen er behandeln darf und welche vorrangig medizinisch und pharmakologisch zu behandeln sind. Er muss wissen, wie er Notsituationen erkennt und wie er dann richtig handelt.

Die Fragen der einzelnen Gesundheitsämter unterscheiden sich gar nicht so stark voneinander, es werden eher Akzente danach gesetzt, welches Fachgebiet der Amtsarzt hat. Beim Gesundheitsamt Recklinghausen wurden bei der mündlichen Überprüfung zum Beispiel Fragen gestellt, wie:

  1. Erklären Sie den Unterschied zwischen neurotischer und endogener Depression!
  2. Welche Zwangssymptome kennen Sie?
  3. Welche Symptome einer akuten Alkoholintoxikation kennen Sie?
  4. Welches sind die typischen Symptome einer endogenen Depression?
  5. Welches sind die typischen Symptome einer Alzheimererkrankung?
  6. Was machen Sie, wenn ein Klient Sonnabends Hilfe braucht?
  7. Wie behandeln Sie einen Patienten, der mit Tranquilizer-Entzugserscheinungen in Ihre Praxis kommt?
  8. Wie erkennen Sie ein Alkoholdelir?
  9. Was sind die Unterschiede zwischen Alkoholdelir und Alkoholpsychose?
  10. Wie behandeln Sie einen Patienten, der über Schmerzen klagt?
  11. Wie müssen Sie Ihre Arbeit dokumentieren?
  12. Was sind Denkstörungen?
  13. Welche Therapieform wenden Sie bei Angststörungen an?
  14. Wie behandeln Sie einen Patient mit Panikattacken?
  15. Was ist eine soziale Phobie?
  16. Nennen Sie stichwortartig die Phasen einer Psychotherapie!
  17. Welche Denkstörungen gibt es?
  18. Beschreiben Sie eine paranoide Schizophrenie!
  19. Wie entsteht Wahn?
  20. Was ist der Unterschied zwischen einer Persönlichkeitsstörung und einer Neurose?
  21. Was verstehen Sie unter Verstärkung?
  22. Was bedeutet Schweigepflicht und in welchem Gesetz ist sie verankert?
  23. Herr M. ruft sonntags abends um halb elf Uhr an und ist suizidal. Was tun Sie?
  24. Welche psychischen Folgen gibt es bei Alkoholmissbrauch?
  25. Beschreiben Sie den Umgang mit psychotraumatischen Patienten!
  26. Wie gehen Sie mit unzuverlässigen Patienten um?
  27. Wann ziehen Sie einen Arzt hinzu?
  28. Was verstehen Sie unter narzisstischem Missbrauch?
  29. Welche Klassifikationssysteme kennen Sie? Nennen Sie Vor- und Nachteile!

Bei diesem Auszug wird deutlich, dass zum einen der Amtsarzt ein breites Wissensspektrum abtestet und zum anderen immer eine Aussage zu möglichen Krisen und Gefährdungen erwartet.

Eine Frage, die auch gestellt wurde, lautet: Wie gehen Sie damit um, wenn sich ein Klient in Sie verliebt? Wie könnte eine richtige Antwort bei der mündlichen Überprüfung lauten?

Der Prüfling könnte sagen: "Wichtig ist es, den Klienten ernst zu nehmen und nicht über die Liebesäußerung hinweg zu gehen. Ich sage dem Klienten empathisch, dass mich diese Sympathie sehr freut, ich aber keine solchen Gefühle hege und keine Beziehung mit ihm eingehen werde. Ich frage dann nach, wie es dem Klienten geht und ob wir trotzdem weiter zusammen arbeiten können. Eventuell lasse ich dem Klienten bis zur nächsten Sitzung Zeit für eine Entscheidung. Ich bin mir bewusst, dass diese Situation den Klienten in eine Krise bringen könnte, in der er dann selbstmordgefährdet ist und kläre die Suizidgefahr genau ab. Eventuell ist die Liebesbezeugung Teil des Krankheitsbildes, wie z.B. bei Borderline-Patienten. Dann weiß ich, dass mit einer Ablehnung eine erhöhte Gefahr der Kränkung verbunden ist und achte darauf. Nicht nur ethisch, sondern auch rein rechtlich darf ich keine Beziehung zu einem Klienten eingehen, da ich damit den Tatbestand des ‚Missbrauchs von Schutzbefohlenen' des §174 STGB erfülle."

Mit dieser Antwort dürften die Prüfer zufrieden sein und merken, dass der zukünftige Heilpraktiker für Psychotherapie, verantwortungsbewusst reagieren wird.

Von: Norman Ehlert ]


zurück     zurück letzte Seite