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Die neue Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen - die Zeche zahlt der Mieter

In den Jahren seit 2003 hat es eine ganze Reihe neuer BGH-Urteile zum Mietrecht gegeben. Das ist die Folge einer Änderung im Prozessrecht, wonach der Bundesgerichtshof sich jetzt auch mit dem Streit um 3,50 Euro Heizungskosten befassen muss, wenn das Berufungsgericht die zugrunde liegende Rechtsfrage nur für interessant genug hält, um eine Revision zuzulassen[1].

Neben den wirklich brennenden Fragen (wie derjenigen, ob der Mieter Anspruch auf Kopien von Heizkostenbelegen hat, oder diese bei der Hausverwaltung selber einsehen muss - Urteil vom 08.03.2006, Az: VIII ZR 78/05) sind dabei auch einige langweiligere, aber wirtschaftlich viel bedeutendere entschieden worden. Etwa die, wann eine formularvertragliche Überwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter unwirksam ist.

Nach dem Gesetz nämlich schuldet der Mieter - entgegen einem weit verbreiteten Aberglauben - erst einmal überhaupt keine Streicharbeiten in der Wohnung. Der normale Verschleiß (auch) der Anstriche ist mit der gezahlten Miete abgegolten. Zwar kann im Mietvertrag etwas anderes vereinbart werden, bei vom Vermieter einseitig gestellten Vertragsbedingungen ist der hierfür zulässige Rahmen nach den jüngsten BGH-Entscheidungen aber sehr, sehr eng geworden, und er wird voraussichtlich noch enger werden.

Tapeten müssen danach beim Auszug grundsätzlich nicht mehr entfernt werden, und viele Regelungen über Streicharbeiten im laufenden Mietverhältnis sind bereits deshalb unwirksam, weil sie feste Fristen enthalten, die keine Rücksicht darauf nehmen, ob tatsächlich schon Renovierungsbedarf besteht. Solche festen Fristen, die zum Streichen auch dann verpflichten, wenn objektiv ein Streichen noch gar nicht nötig ist, benachteiligen den Mieter, so der BGH, unangemessen, und da hat der BGH sicher recht. Wer nicht raucht, darauf achtet, nirgends anzustoßen und seine Wohnung generell pfleglich behandelt, kann wohl schlecht für seine Rücksichtnahme auf das Vermietereigentum noch bestraft werden.

Führt man die den Entscheidungen zugrunde liegende Argumentation aber konsequent fort, wie es steht zu erwarten steht, wird diese scheinbar mieterfreundliche Rechtsprechung im Ergebnis deutlich zu Lasten der Mieter ausschlagen und eine spürbare Anhebung des allgemeinen Mietniveaus zur Folge haben:

Denn dann müssten konsequenter Weise auch alle Formularbedingungen unwirksam sein, wonach der Mieter sich beim Auszug (nur) zeitanteilig an den Kosten der noch nicht fälligen Schönheitsreparaturen zu beteiligen hat, bei einer Mietzeit von mehr als einem Jahr zu 1/5, bei zwei Jahren zu 2/5 und so weiter. Solche Klauseln finden sich aber heute zutage praktisch in jedem Mietvertrag, immer verbunden mit der Bestimmung, dass der Mieter, statt zu zahlen auch selber streichen, also die Kosten durch Eigenleistung gering halten darf.

Wollte man einmal annehmen, dass die kompletten Streich- und Tapezierarbeiten für eine 70-qm-Wohnung durch eine Malerfirma 1.500 Euro kosteten, hätte nach einer derartigen Klausel der Mieter nach dreijähriger Mietzeit 900 Euro zu zahlen, nach fünf Jahren eben 1.500 Euro, er könnte aber genauso durch Eigenleistung seine wirtschaftliche Belastung auf 200 Euro (nämlich die reinen Materialkosten) senken - und würde das in aller Regel auch tun, er hat ja kein Geld zu verschenken.

Wenn aber selbst diese Klauseln "sterben" sollten, bliebe den Vermietern (die ja in aller Regel nicht aus Menschlichkeit vermieten, sondern wegen des Geldes) nach den Gesetzen des Marktes nur eine Alternative: Sie müssten bei Neuabschlüssen die nicht mehr umlegbaren Renovierungskosten rechnerisch gleich auf die Miete aufschlagen. Die 1.500 Euro aus unserem Beispiel machten, gerechnet auf 5 Jahre, 300 Euro pro Jahr oder 25 Euro im Monat aus, in Geld ausgedrückt wären das rund 50 DM - im Monat! - für eine Wohnung von 70 Quadratmetern, was überschlägig einer Mietsteigerung von, je nach dem Niveau der Ausgangsmiete, 5-8% entsprechen dürfte. Die scheinbar so mieterfreundliche Rechtsprechung nach den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland droht also, nach den Gesetzen des Marktes, sich zu Lasten der Mieter auszuwirken - die Zeche zahlt der Mieter.

Weshalb unser weiser Gesetzgeber bei seiner "großen" Mietrechtsreform 2001 solche Baustellen offen gelassen hat, soll an dieser Stelle besser nicht beurteilt werden…

Nachtrag vom 19.10.2006:

Mit Urteil vom 18.10.2006 hat der Bundesgerichtshof nun, wie zu erwarten stand, tatsächlich eine Klausel über die zeitanteilige Umlegung der Schönheitsreparaturen nach Mietvertragsende für unwirksam erklärt. Begründung (wie ebenfalls erwartet): Auch diese Regelung orientiere sich an starren Fristen statt am tatsächlichen Renovierungsbedarf und benachteilige den Mieter unangemessen.

[1]
Zum Ausgleich für diese Mehrbelastung des BGH hat man aber den Zugang zur Revisionsinstanz auf anderen Rechtsgebieten - etwa gegen familienrechtliche Entscheidungen - deutlich beschränkt. Und damit zugleich klargestellt, was in unserer Gesellschaft wirklich zählt.

Von: RA Cunningham Michael ]


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